Carsten Gritzan im Gespräch mit Ivar Leon Menger
Erschienen im Schwarz Magazin - Ausgabe 3
Bilder: Nouki
Interviews mit Kreativen zu führen, die einem mit ihren Werken seit Jahren die Freizeit versüßen und deren Schaffen stets ein privates, hohes Interesse weckt, haben einen besonderen Reiz. Den Reiz, diesen Zustand nach Möglichkeit auch nach dem Interview beizubehalten. Nun kann getrost vorweggenommen werden, dass dies der Fall ist. Mindestens. 
Ivar Leon Menger ist Designer, Hörspielautor, Regisseur, Fotograf und Schriftsteller.
Ein beachtliches Portfolio. Wie sich alle Disziplinen durch ihre Schnittmengen schlussendlich zu einer überzeugenden Kreativ-Bombe entwickeln, erfahren wir in einem ausführlichen Gespräch mit dem Multitalent. 
Doch vielleicht ist es nicht unwichtig, vorab weit zurückzublicken. Wie so oft wachsen schon in der Kindheit die kreativen Wurzeln. Durch alltägliche Einflüsse im familiären Umfeld zum Beispiel. Die viele Zeit, die Ivar als Kind und Jugendlicher fasziniert im Grafikstudio seines Vaters verbringt, zeigt später Wirkung. “Es war so klar, dass ich auch Grafikdesign studiere.” Ein klassischer Kurs, der einem grafischen Haushalt entspringt. Doch die kreativen Interessen entwickeln schon früh eine Vielschichtigkeit, die Ivar bis heute beibehalten hat. Noch während des Studiums entstehen die ersten Projekte mit dem Medium Film. Er dreht Werbespots und übernimmt die Regieassistenz für Musikvideos. “Schnell habe ich Blut geleckt und mir war klar, dass ich zum Film muss.” 
Der Film
“Bild hatte ich ja nun gelernt, aber schreiben konnte ich meines Erachtens noch nicht. Um dies zu ändern, bekam ich die Möglichkeit, in einer Frankfurter Agentur als Werbetexter zu arbeiten. Ich habe gelernt Dialoge zu schreiben und war viel in Tonstudios unterwegs. Da war natürlich noch nicht daran zu denken, selber Hörspiele zu machen. Erst rückblickend machen die Punkte Sinn.” In dieser Zeit schreibt Ivar sein erstes Drehbuch zu dem Kurzfilm “Geteiltes Leid”. Das Werk sollte sich als Fundament zu seinem Wunschmedium entwickeln. Der Film wurde auf Kurzfilmfestivals präsentiert und wird im Rahmenprogramm der Berlinale 2002 mit dem Lost High-Tapes Award als „Bester Kurzfilm Deutschlands“ ausgezeichnet.
Die technische Entwicklung spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Die DVD kommt auf den Markt und löst die Videokassette ab. Plötzlich ist eine Menge Platz auf dem Medium. Ivar ruft alle Verleihfirmen an und schlägt vor, den Kurzfilm als Zusatzmaterial auf eine Veröffentlichung zu packen. Die Firmen sind irritiert, das war nicht üblich. Ivars Hartnäckigkeit hat schließlich Erfolg. Sein Film schafft es als Bonusmaterial auf die DVD des Films “The Cell” von Tarsem Singh. Der Regisseur, zu dieser Zeit ist Tarsem Singh einer der angesagtesten Werbefilmer, ist von Ivars Film begeistert und erteilt persönlich die Freigabe aus Hollywood. Nun überschlagen sich die Ereignisse. Die DVD schafft es auf Platz Eins der Verleih-Charts. Geteiltes Leid erlangt dadurch eine enorme Reichweite. Auch die Agentur Jung von Matt aus Hamburg wird auf den Film aufmerksam und engagiert Ivar für den Dreh von Werbespots. Alles richtig gemacht also. 
Ivar will eigene Filme machen. Beflügelt vom Erfolg seines Films, kündigt er schließlich den Job in der Agentur, setzt alles auf eine Karte und arbeitet um das Nötigste zu verdienen, in einer Videothek. “Das waren fünf harte Jahre, weil ich unbedingt zum Film wollte. Alle vier Monate kam vielleicht ein Auftrag für einen Werbespot, der mich vielleicht zwei Monate über Wasser gehalten hat.” Währenddessen entsteht sein zweiter Kurzfilm “Tramper”. Auch dieser Film wird auf Kurzfilmfestivals gezeigt und ausgezeichnet. Für den Film wird Ivar der Newcomer-Regie-Award des privaten TV-Senders ProSieben verliehen. Dies beinhaltet auch ein Regie-Engagement für einen 20.15 Uhr-Film bei ProSieben. Das Ziel scheint erreicht, Ivar ist beim Film angekommen. Jetzt kann nichts mehr schief gehen. Ein Spielfilm zur Primetime bei einem der angesagtesten Sender im Land. Die Vorbereitungen sind fast abgeschlossen und die Schauspieler*innen sind gebucht. Unter anderem Bjarne Mädel, der seine erste große Filmrolle bekommen hätte. Genau. Hätte. Zwei Wochen vor Produktionsbeginn gibt es einen unüberwindbaren Streit zwischen der  Produktionsfirma und ProSieben. Das Projekt war gestorben. Verständlicherweise ist der Frust groß. “Fünf Jahre sind sehr lang, wenn Du kein Geld verdienst und das Telefon nicht klingelt. Es gilt um jeden Preis nicht aufzugeben. Das kann ich nur jedem empfehlen, der versucht Fuß zu fassen. So einfach es klingt, ist das natürlich das Schwierigste an allem. Du hörst ja nicht auf wegen deiner Leidenschaft. Die erlischt nie. Die Umstände sind ausschlaggebend. Du nimmst viel in Kauf, wenn du für deine Idee brennst. Solange du keine Familie hast, kannst du alles machen.”
So entstehen weitere Drehbücher zu Filmen. Ivar reizt die Idee, einen Episodenfilm zu realisieren. “Der Prinzessin” entsteht. 
Das Hörspiel
Mittlerweile in Berlin ansässig, teilt sich Ivar mit dem Synchronsprecher und Schauspieler Jan-David Rönfeldt eine WG. Dieser schlägt ihm vor “Der Prinzessin” als Hörspiel umzusetzen. Ivar ist begeistert von der Idee, sieht er hier doch eine Möglichkeit, die Produzenten damit für sein Filmprojekt zu überzeugen. Das fertige Hörspiel schickt Ivar an die Produktionsfirmen. Und erhält ausschließlich Absagen. Aber ihm bleibt das Hörspiel. Dieses schickt er zu allen Labels und Hörverlagen. Und erhält auch hier nur Absagen. “Jetzt wusste ich auch nicht mehr. Ich war ganz tief am Boden. Es hat einfach nichts geklappt.”
Ein Tiefpunkt war erreicht. “Ich habe jeden Preis gewonnen, aber nie Geld verdient. Preise sind schön, aber ich brauche ja auch was zu essen.”
Es folgt, viel später, ein erlösender Anruf, der einen neuen, fast unfreiwilligen kreativen Weg bestimmt. Sony BMG fragt, auf Empfehlung von Jens Wawrczeck, Stimme von Peter Shaw bei den Drei Fragezeichen, ob Ivar Interesse an der Umsetzung von Drehbüchern für die neue Hörspielserie Die Dr3i hat. Natürlich hat er Interesse.
Ivar hat den Zufall provoziert. Durch ständiges Schaffen und die Umsetzung seiner Ideen, erreicht er Leute die sich bei Gelegenheit an die gute Arbeit erinnern. Wie in diesem Fall Jens Wawrczeck, der vorhergehend eine Sprecherrolle im Hörspiel “Der Prinzessin” übernommen hatte.
“Das Gefühl im Tonstudio, bei seiner eigenen Geschichte, mit den Kult-Sprechern der Drei Fragezeichen Regie zu führen, war besser als die Preisverleihung auf der Berlinale.”
Von nun an, macht Ivar sich nach und nach einen Namen als Hörspielautor. In den darauffolgenden Jahren entstehen regelrecht kultige Serien. Darkside Park, Monster 1983, Porterville, Ghostbox sind nur einige davon. Er manifestiert seinen Namen nun endgültig in dem Genre, in dem er sich wohl fühlt. Thriller, Suspense, Horror. Ivar erhält unzählige Auszeichnungen. “Ein Hörspiel von Ivar Leon Menger” wird zum Qualitätsstempel im Hörspiel-Geschäft. Für Publikum und Kritiker gleichermaßen.
“Mein Ansporn war und ist schon, dass ich irgendwann berühmt werde. Nicht wegen der Berühmtheit an sich, dem Ansehen, sondern damit ich die Möglichkeit habe meine Ideen umzusetzen.”
Das Buch
Viel dürfen wir in dieser Ausgabe leider noch nicht verraten. Ivar ist zum Schweigen verpflichtet. Wir dürfen jedoch verraten, dass sein erster Roman voraussichtlich im Herbst des nächsten Jahres bei dtv erscheinen wird. Wir gehen davon aus, dass Ivar seinem Wohlfühl-Genre treu bleibt. Oder wird er uns überraschen?
Erwähnenswert ist unbedingt der Entstehungsprozess. Ivar gründet mit seiner Frau und einem guten Freund einen WhatsApp-Schreib-Club, in dem sie ausmachen, über ein Jahr, jeden Tag, eine neue Seite ihres jeweiligen Romans zu teilen. Der selbst auferlegte Druck erfüllt seinen Zweck und motiviert. Gerade bei den ersten Gehversuchen, etwas Neues auf die Beine zu stellen, ist eine ehrliche Meinung aus dem engsten Familien- und Freundeskreis wichtig. Alles weitere scheint schon fast zu leicht. Über eine Agentur, wird das Manuskript an ausgewählte Verlage geschickt. In kürzester Zeit, melden sich fünf große Verlage und wollen Ivars Romandebüt verlegen. 
Uns bleibt nur das Warten bis das Schweigen gebrochen werden darf.
Das Foto
Aus einer Gewohnheit wird eine Leidenschaft. Entstanden im Studio mit den Schauspieler*innen, mit Bekannten und mit Freund*innen. Intime Momente, die nicht aus der Motivation eines Shootings hervorgegangen sind. Sondern während der Arbeit oder nach der Arbeit, authentisch eben. “Das macht so viel Spaß, daraus muss ich mehr machen.” Das Projekt “Fanboy” entsteht. Dafür fotografiert Ivar die Leute von denen er selber Fan ist. Leute, die er schätzt. Wegen ihrer Arbeit und als Mensch.
Wieder fängt er in einem Bereich von ganz unten an. Baut Kontakte aus, fragt an und überzeugt. “Immer wieder neu anfangen. Nicht satt sein. Das ist der Punkt.” Enden soll das Projekt in einer Ausstellung. Mit allen Beteiligten, ein Familientreffen, wenn man so will. Man müsste sich schon schwer täuschen, sollte dies nicht nur der Beginn einer neuen Schnittmenge sein. 
Ivar wechselt gerne das Medium. Vielleicht nicht immer geplant. Über Design, Film und Hörspiel zum Buch. Und er stellt sich dabei immer überzeugend an. Weil es um seine Geschichten geht. Wie er die Leute damit erreicht, ist vorerst zweitrangig. Ivar passt sich an, um das geeignete Medium zu finden. Und das kann, wenn nötig, bei jeder Geschichte ein anderes sein.
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