Carsten Gritzan im Gespräch mit Sebastian Trägner
Erschienen im Schwarz Magazin - Ausgabe 5
Bild: Nouki​​​​​​​
Ohne die in diesem Artikel aufkommende Euphorie an unserer Arbeit für dieses Portrait rechtfertigen zu wollen, müssen wir vorwegnehmen, dass es nunmal Termine gibt, an denen einfach alles passt. Termine, die uns darin bestätigen, ein Magazin wie Schwarz zu veröffentlichen. Termine an denen ununterbrochen die Sonne scheint und an denen alle Beteiligten professionell, mit Liebe zu ihrer Arbeit, ihren Teil dazu beitragen. Termine die nicht mit dem Heimweg enden, sondern noch tagelang, immer wieder zum Nachdenken anregen. 
Wir präsentieren auf den folgenden Seiten den Fotografen Sebastian Trägner, den wir fortlaufend nur Traegi nennen werden. So will er es und so machen es eh alle.
Unter den schattenspendenden Palmen im Kölner Botanischen Garten führen wir, kritisch beobachtet von den vorbeilaufenden Besuchern, ein Gespräch, in dem uns Traegi gegensätzlich zur sonnigen Atmosphäre im Grünen, ungewohnt offen und unprätentiös einen Einblick in seine Arbeit und seine Dämonen gewährt. 
Über Traegis durchaus turbulente Vita wird gerne berichtet. Verständlich, passt sie doch genau in diese Zeit. Eine Zeit in es sich beruflich auszuprobieren gilt. Bloß nicht festlegen, nichts überstürzen. Und wenn, dann richtig, ohne Rücksicht auf Verluste und auf der Überholspur. Egal wie weit die Sprünge zum nächsten Vorhaben auch scheinen, im Ganzen macht alles schließlich Sinn. Und Traegi beschreibt dieses Lebensmodell genau. Von außen betrachtet verkörpert er für viele pubertierende Jungs, die feuchten Erwartungen an das kommende Leben. Gesponserter Skateboarder in Barcelona, Influencer, Model und schließlich gefragter Fotograf mit eigenen Ausstellungen, wie die just eröffnete TRUE COLORS-Ausstellung in der Kölner 30works-Galerie. Traegi ist der Prototyp eines Autodidakten. So leicht wie es scheint ist es jedoch keineswegs. Im Gegenteil. Wie alle Autodidakten muss auch Traegi mit seiner Arbeit überzeugen. Überzeugen das er es auch wirklich kann. Mehr als Kolleg*innen mit einer klassischen Ausbildung, einem Studium und entsprechendem Abschluss. Diese Parallele kann auf viele kreative Laufbahnen übertragen werden. Wir berichteten im Schwarz mehrfach darüber. 
Und ja, es gibt auch die berühmte Schattenseite, es gibt die Ängste, die Unsicherheit, die persönlichen Probleme. Es gibt das Finanzamt.
Bemerkenswert ist, dass der Wahl-Kölner erst seit wenigen Jahren fotografiert. Und nach drei Jahren Selbstständigkeit muss er schauen, wie er vorankommt. „Man sieht so seine alten Homies, die sind Anwalt geworden, oder Doktor, haben Familie. Und ich? Geschieden, auf der Suche nach einer Wohnung. Manchmal tut das weh. Dann wieder bin ich glücklich, diesen Weg gewählt zu haben. Es ist halt ein Auf und Ab und am Ende ganz schön diese Erfahrungen machen zu können
Traegi mag es nicht darauf reduziert zu werden, dass er immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen sei. „Das ist ganz und gar nicht der Fall. Während andere die Sicherheit gewählt haben, habe ich die Türen eingetreten. Mir ist nichts vor die Füße gefallen.“
Aller beruflichen Sprünge zum Trotz, scheint sich die Fotografie mit all ihren umliegenden Bereichen zu einem festen Bestandteil entwickelt zu haben. Traegi kann sich gut vorstellen auch das Medium Film oder Buch anzugehen. „Ich möchte so interdisziplinär wie möglich arbeiten.“ Innerhalb dieser Spektren gibt es noch viel zu entdecken. Auch in der Fotografie selbst gibt es noch unzählige Geschichten zu erzählen. Festlegen auf einen Stil möchte er sich nicht. 
Unterbrochen wird unser Gespräch immer wieder auf charmant robuste Art von unserem Fotografen, der unseren Gesprächspartner im Ton bestimmend, Wünsche über Position und Haltung zuruft. Ganz Profi befolgt Traegi die Anweisungen fast beiläufig. Überhaupt ist das Zusammenspiel zwischen den beiden Fotografen schön zu beobachten. Wir haben unseren Wunsch-Fotografen Nouki für den Termin gewinnen können. Schon mehrfach war Nouki für uns unterwegs und hat unsere Leser*innen mit seinen analog fotografierten Bildern beeindruckt. Zwei Künstler, die nicht fachsimpeln über Geräte und Linsen. Zwei coole Typen, denen das Ergebnis wichtig ist. Und die Situation. 
Traegi hat das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Wer ihn sieht, wer seine Bio liest, glaubt umgehend urbane Lifestyle-Bilder zu sehen. Skateboard, Street Art, was so Typen eben antörnt die so aussehen. Hier geht die Schublade weit auf. Seine Bilder sprechen jedoch eine andere Sprache. „Ob es ein Stein ist, eine Blume, nackte Haut oder ob es eine Landschaft ist, hauptsache es ist irgendwas drin, was mich persönlich beeindruckt. Auch technisch versuche ich mich dann daran zu orientieren und mich weiterzuentwickeln.“ In vielen seiner Bilder geht es um Kompositionen, um Strukturen. Sie wirken zurückhaltend, bedacht und empathisch. Vielleicht sind seine Bilder der direkteste Weg zu der Person Sebastian Trägner.
Bei kommerziellen Aufträgen hat Traegi mittlerweile ein eingespieltes Team um sich. „Ich bin bei den Terminen nur noch dazu da, um zu fotografieren. Auch das Team ist in die Materie erst hineingewachsen. Wir waren ein Packen von Leuten, die keinen Plan hatten. Und jetzt kommen geile Nummern dabei raus. Zum Beispiel hatten wir jetzt die weltweite Island-Kampagne, zu der ich die Leute teilweise mitgenommen habe. Es geht gemeinsam einmal um die Welt. Das macht mich stolz.“
Traegi scheint Fuß gefasst zu haben und ist im Geschäft. Denken wir noch, als wir von ihm selbst schnell auf die Tatsachen der Realität verwiesen werden.
 „Im Moment ist die Außenwirkung extrem geil. Veröffentlichungen, Fernsehen, es geht ab. Auf der anderen Seite war ich vier Monate ohne Wohnung und stehe kurz vor einer Privatinsolvenz, weil es von außen geil aussieht, aber im Grunde nicht viel reinkommt. Es ist unglaublich schwierig. Corona ist schwierig. Teilweise sitze ich da und überlege meine Kamera zu verkaufen, damit ich irgendwie von den Steuerschulden wegkomme. Ich hustle mich da durch, obwohl es für mich manchmal schwer begreifbar ist. Ich hoffe das ich irgendwann von der Fotografie so leben kann, ohne dass ich keine Angst davor haben muss, den nächsten Monat zu überstehen.“
Das sind in ihrer Ehrlichkeit seltene Worte, die nachhaltig beeindrucken. In diesem Moment macht Nouki uns darauf aufmerksam, dass wir verbotenerweise auf einem Rasen stehen, der nicht dazu gedacht ist. 
Traegis Bilder von Körpern, fokussiert auf deren Merkmalen und Makel, in Verbindung oder besser in Gegenüberstellung mit Strukturen aus der Natur, finden zum Teil einen kleinen Abschluss in der aktuellen Ausstellung in Köln. „Wenn ich ein Bild zeige, beispielsweise einen Körper mit Dehnungsstreifen und setze das schön in Szene, dann stehen die Leute davor und finden das vielleicht ganz schön. Es ist aber eine Wertung. Wenn ich ein Bild aus der Natur daneben setze, was die gleiche Struktur zeigt, entsteht ein Dialog, eine Entdeckung. Die Wertung des Körpers entfällt. 
Im Gegenzug sind die Naturfotos die ich mache, Herzblut. Solange kein Mensch um mich herum ist, bin ich komplett frei. Ich schaue mir die Landschaften an, entdecke Licht und Schatten. Beispielsweise hier in der Flora, die ich immer wieder besuche. Irgendwann kenne ich das Verhalten der Motive zu bestimmten Tageszeiten und unter unterschiedlichen Einflüssen. Das ist ein großer Lernfaktor.“
Wir wollen Traegis Meinung zu dem großen NFT-Hype wissen. Nach einer Einladung auf Twitter, bestand für ihn die Möglichkeit selbst Bilder auf der beliebten Foundation-Plattform zu minten, sprich zum Verkauf anzubieten. „Am Ende lerne ich halt immer wieder, sobald ich Geld für etwas investiere, ohne zu wissen was dabei rumkommt, ist es unglaublich schwierig. Ich habe über die Plattform einige gute Fotograf*innen kennengelernt, die sehr tolle Arbeiten dort anbieten und inspirierend für mich sind, aber verkauft habe ich nichts. Niemand wollte sich mein Bild für einen Ethereum, was ca. 2.700 Euro sind, jeden Tag auf seiner Apple Watch ansehen.“ Was NFT mit der Blockchain-Technologie für die Zukunft der Fotograf*innen bedeutet ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall gibt es bereits Fotografinnen und Fotografen, die ihre Arbeit fast ausschließlich darauf ausgerichtet haben. Traegi findet es absolut nicht verwerflich, aus seiner Arbeit auch Geld machen zu wollen. Aber am Beispiel NFT muss es für ihn nebenherlaufen. Nur mit dem Hintergedanken zu fotografieren, später NFT`s daraus zu generieren, wäre für ihn nicht denkbar. Das würde schlicht seinem Anspruch an der Arbeit nicht gerecht werden. Um seine Arbeit zu verkaufen, muss eine Künstlerin oder ein Künstler das Gesamtpaket präsentieren können. Ein smarter medialer Auftritt gehört ebenso dazu, wie die Fertigkeit. So steigert sich der Wert der Arbeit. Nur eines davon reicht eben nicht. Auf dem NFT-Markt ist es nun möglich zu verkaufen, ohne die eigene Persönlichkeit zu präsentieren. Das bringt wieder andere Leute ins Spiel. Den Wert hat schließlich nur das Bild. Vielleicht überrumpelt uns dieses faire Prinzip. Wir werden dieses Thema in dieser Ausgabe in weiteren Artikeln ausführlicher behandeln. 
Mittlerweile versuchen wir gegen die gefühlten tausend Frösche anzusprechen, die hinter uns berserkern als gäbe es kein Morgen. Ein guter Zeitpunkt Traegi nach einem Tipp zu fragen, den er aus seiner Erfahrung und seinen Werten heraus, jungen Leuten auf ihren beruflichen Weg geben möchte. „Niemand sollte sich dagegen sperren, auch mal einen Traum liegen zu lassen und stattdessen was anderes mitzunehmen, um zu gucken was sich daraus dann entwickelt. Es war toll Model zu sein oder Influencer und Skateboarder. Ich habe gedacht ich bin der Geilste der Welt. Und das hat dazu geführt, dass ich kaputt gegangen bin. Am Ende sollte jeder darauf achten wo er herkommt und immer sehr respektvoll auf Augenhöhe seinem Gegenüber eine Wertschätzung entgegenbringen. Dann passieren wunderschöne Dinge.“
Manchmal sind es solche einfache, aber ernst gemeinte und authentische Worte, die einen solchen Nachmittag besonders machen.
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