Carsten Gritzan im Gespräch mit Miriam Frank
Erschienen im Schwarz Magazin - Ausgabe 5
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Die vielseitigen Ausdrucksformen der in München arbeitenden Künstlerin Miriam Frank sind ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie moderne Gestaltung funktioniert. Ohne Klischees bedienen zu müssen oder sich in eine Schublade stecken zu lassen. Traditionelles Handwerk, mutige Illustrationen, Gemälde, Skulpturen und Kunst-Projekte vereinen sich in ein Gesamtwerk. In eine Person. 
Obwohl Miriam mit einem Kunststudium liebäugelt, entscheidet sie sich vorerst für Kommunikationsdesign. Das Design-Studium in Augsburg soll der Start ihrer kreativen Laufbahn werden. Die Entscheidung ist wohl durchdacht und der Plan geht auf. Die unterschiedlichen Disziplinen im Studium kennenzulernen, entwickelt sich für Miriam zu einem guten, wichtigen Weg, herauszufiltern was sie eben nicht machen möchte.
„Ich bin ein Sicherheitsmensch. Früher vielleicht sogar getrieben von Angst. Der Gedanke später Geld verdienen zu müssen, hat mich von der freien Kunst abgeschreckt. Meine Mutter ist Grafikerin und hat sich später der abstrakten Malerei gewidmet. Da habe ich schon mitbekommen, dass dieser Weg nicht einfach ist.“
Alternativ zu den gestalterischen Berufen beschäftigt sich Miriam mit Meeresbiologie und überlegt vielleicht diese Richtung einzuschlagen. Auch heute noch ist diese Themenwelt sehr präsent in Miriams Arbeit. „Schließlich möchte man ja nicht das machen was die Eltern machen. Aber am Ende hat mir das Kreative wahnsinnig viel Spaß gemacht. Auch Kunstpädagogik war ein Thema. Das Soziale fehlte mir im Designbereich. Illustration beispielsweise ist ein recht einsamer Beruf. Heute hole ich mir die soziale Komponente durch das Tätowieren.“
Durch das Tätowieren und ihren ganz besonderen Stil, durch die schrillen Motive, hat sich Miriam schließlich einen Namen gemacht. 
„Über Freunde habe ich meinen damaligen Kollegen kennengelernt, der hatte schon ein kleines Atelier. Wir haben einfach einen Deal ausgemacht. Ich wollte das Tätowieren lernen und habe dafür im Laden ausgeholfen, auch mit Grafikarbeiten. So konnte ich mir auch schon Tipps abholen. Es war aber keine klassische Ausbildung. Wenn ich Zeit hatte, bin ich halt dahin.“
Ein wesentlicher Unterschied war der frühe Wille einen eigenen Stil zu tätowieren. „Viele Stile in den Tätowierläden fand ich zu dieser Zeit abtörnend. Ich wollte von Anfang an meine Sachen machen. Allerdings braucht es dazu Leute, die dafür offen sind. Zumal war ich ein blutiger Anfänger. Es war also schwierig. Zuerst habe ich vielleicht ein Tattoo im Monat gemacht, was zu wenig ist. So kam ich nicht wirklich weiter. Also habe ich in einem kommerziellen Laden angefangen und habe dort viel tätowiert, was damals so angesagt war. Die ganze Palette auf die man eigentlich nicht so Lust hat. Viele Tattoos an einem Tag haben geholfen, sich schneller die Techniken anzueignen. Dann konnt ich endlich mein eigenes Zeug machen und an die Leute bringen.“
Eigene Kundenmotive zu tätowieren bleibt heute eine seltene Ausnahme. Wer zu Miriam Frank geht, erwartet auch nichts anderes. Gerade ihre spezielle Ausdrucksform ist gewünscht und begehrt. Ein Tattoo von Miriam zu bekommen, bedeutet nicht anderes als sich Kunst geleistet zu haben. 
Inspirationsquellen hat Miriam viele. Offensichtlich spielt die Popkultur eine große Rolle. Angelehnt an klassische Filmmotive, an ikonenhafte Wesen aus den Kulturen oder Bilder der Gesellschaft übersetzt Miriam in die für sie typischen Illustrationen, um sie später unter die Haut zu bringen. 
Allerdings hadert sie zuweilen auch mit der sich daraus ergebenden Gefälligkeit der Motive. „Meine Illustrationen sind zwar an die Popkultur angelehnt und soll auch für diesen Typ Mensch sein, dementsprechend versuche ich das zu machen, was gefällt. Oft frage ich mich dann aber, ob ich damit genug sage.“ Hier blitzt die Künstlerin in Miriam auf. Der eigene, selbst auferlegte Anspruch die Kunst-Welten zu verbinden ist enorm hoch. 
Miriam schnappt die gewonnenen Einflüsse schnell auf und setzt diese ebenso rasant um. Zum Beispiel auf Reisen, die sie sehr inspirieren oder direkt aus ihrem Alltag heraus. „Bei vielen Sachen muss es gleich passieren, sonst verläuft es. Zum Beispiel kommt man aus dem Kino, ist begeistert und denkt: Muss ich machen. Auch während der Reisen, wie meinem Tokyo-Besuch, ist der Gedanke immer präsent, was später zeichnerisch daraus werden kann.“ 
Die Pandemie trifft Miriam natürlich ebenso hart wie viele ihrer Kolleg*innen auch. Gerade der Tätowier-Betrieb fällt über einen langen Zeitraum komplett aus. Wirtschaftlich muss das erstmal aufgefangen werden. Aus dieser belastenden Situation heraus macht Miriam das, was fast nicht anders zu erwarten ist. Sie nutzt ihre Talente und die Gelegenheit auf eine in ihre souveräne Art und Weise. „Corona hat mir erneut gezeigt, dass es ein großer Vorteil ist, in den Möglichkeiten seiner Arbeit breit aufgestellt zu sein.“
Schon vor Corona festigt sich der Gedanke, neben dem Tätowieren auch andere Projekte anzugehen. Miriam findet Spaß an Auftragsarbeiten. Malerei und kommerzielle Aufträge schließen die finanziellen Lücke in der Zwangspause.
Das Tätowieren ist für talentierte Illustratorinnen und Illustratoren eine sichere Bank. Die Studios sind nicht selten über mehrere Monate hinweg ausgebucht und das Einkommen ist planbar. Diese komfortable Situation ermöglicht auf der Gegenseite zeitlich bedingt keine großen Sprünge in andere Bereiche, die es zu entdecken und auszubauen gibt. Die Pandemie hat aus der Not heraus eine solche Möglichkeit geboren. Wenigstens ein kleiner Vorteil, der aus diesem furchtbaren Virus gewachsen ist. Das jeweilige persönliche Verhältnis zum eigenen Beruf wurde hinterfragt und dieser im Idealfall neu interpretiert.
Eine von Miriam neu entdeckten Ausdrucksform ist die Arbeit an Skulpturen. Der Wechsel vom Zweidimensionalen ins Dreidimensionale übt auf die Gestalterin einen großen Reiz aus. „Das macht wahnsinnig viel Spaß und man arbeitet komplett anders. Ob das ein größeres Projekt wird, kann ich noch nicht absehen. Ich mag es etwas Neues anzufangen und es noch nicht zu verstehen. So war es mit dem Tätowieren anfangs auch. Da sind nun die Herausforderungen vielleicht nicht mehr so groß. Man kann sich auf seine Erfahrungen berufen. Das ist was anderes als vor einem Material zu stehen und keine Ahnung zu haben. Wie reagiert es? Was kann ich falsch machen? Genau das brauche ich immer wieder.“
Die immer wieder aufkeimende Neugier an neuen Kunstformen schützt auch vor der Langeweile im Alltag. Immer wieder droht auch ein noch so kreativer Beruf in eine Routine zu verfallen. „Dem kann man schnell vorbeugen, indem man neue Sachen ausprobiert.“
Miriam gibt gerne den Tipp weiter, sich auch im Umfeld von nicht kreativ arbeitenden Menschen zu bewegen. Auch wenn der ehrliche Austausch, die Inspiration und die Fachsimpelei sehr großen Spaß bereiten, sich ständig nur in seiner eigenen beruflichen Blase aufzuhalten verklärt den Blick auf die wesentlichen Dinge im Leben. 
So langsam kehrt auch bei Miriam der Alltag wieder ein. Sofern ihre vielfältig künstlerischen Aktivitäten als Alltag bezeichnet werden können. Ausstellungen sind angedacht, Aufträge werden bearbeitet, es wird tätowiert und wie Miriam einzuschätzen ist, ist sie gedanklich schon wieder bei ganz anderen Herausforderungen. Die Ergebnisse dürfen wir sicherlich, dank den sozialen Netzwerken, gespannt mitverfolgen und bewundern.
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